Wenn die Pflegekosten das Eigenheim ins Blickfeld rücken
- Dirk Liepolt

- vor 11 Minuten
- 4 Min. Lesezeit
Viele Familien kennen das: Eltern oder Großeltern werden pflegebedürftig, ein stationärer Heimaufenthalt wird nötig – und plötzlich wird klar, dass die Rente + Pflegekasse nicht ausreichen, um die Kosten zu decken. Dann stellt sich oft die Frage: Muss ich mein Haus oder meine Wohnung verkaufen? Und was darf das Sozialamt in diesem Fall verlangen?

Eigenheim & Pflegekosten:
Was Familien jetzt wissen müssen
Wenn Eltern oder Großeltern pflegebedürftig werden, überschneiden sich zwei große Lebensbereiche: Pflegefinanzierung und Immobilienvermögen.
Viele Familien sind überrascht, wie schnell Pflegekosten im vierstelligen Bereich monatlich zusammenkommen – und wie oft die Frage im Raum steht:
„Kann das Sozialamt verlangen, dass das Eigenheim verkauft wird?“
Dieser Beitrag fasst das Thema verständlich und neutral zusammen – ohne Panikmache, aber mit klaren Fakten.
1. Grundsatz:
Das Sozialamt prüft Einkommen und Vermögen
Reichen die eigenen finanziellen Mittel eines Pflegebedürftigen nicht aus, um die Pflege zu bezahlen, springt auf Antrag der Sozialhilfeträger ein (gemäß Sozialgesetzbuch XII).
Bevor Leistungen bewilligt werden, prüft die Behörde jedoch:
Einkommen
verwertbares Vermögen
und in bestimmten Fällen auch Immobilienbesitz
Gilt das Eigenheim als Vermögen?
Ja – grundsätzlich zählt Immobilienbesitz als Vermögen.Aber: Es gibt wichtige Ausnahmen, die viele Menschen nicht kennen.
2. Wann das Eigenheim nicht verwertet werden muss
Es gibt klare Regeln, wann ein selbstgenutztes Eigenheim geschützt ist.
a) Wenn ein Ehepartner oder eingetragener Partner weiterhin darin wohnt
Bleibt der (gesunde) Ehepartner im Haus, gilt die Immobilie in der Regel als sogenanntes „Schonvermögen“.
b) Wenn das Haus angemessen ist
Die Angemessenheit wird u. a. beurteilt anhand von:
Wohnfläche
Grundstücksgröße
Ausstattung
wirtschaftlicher Verhältnisse
Es gibt keine feste Quadratmetergrenze, aber Urteile orientieren sich häufig an Größen, die für eine einzelne oder zwei Personen üblich und vertretbar sind.
c) Wenn ein Angehöriger pflegt und im Haus wohnt
Unter bestimmten Bedingungen kann ein Verbleib des pflegenden Angehörigen im Haus ein Grund sein, die Immobilie nicht zu verwerten.
3. Wann das Sozialamt doch auf die Immobilie zugreifen kann
Ein Zugriff kommt vor allem dann in Betracht, wenn:
niemand mehr im Haus wohnt,
das Objekt weit über den Angemessenheitsgrenzen liegt,
hohe Pflegekosten anfallen, die nicht anders gedeckt werden können.
Dabei prüft die Behörde, ob:
Vermietung möglich wäre,
ein Teilverkauf wirtschaftlich sinnvoll ist,
oder ein vollständiger Verkauf notwendig erscheint.
Wichtig: Dies passiert nicht automatisch und auch nicht willkürlich, sondern nach klar geregelten Verfahren.
4. Was viele nicht wissen: Der Sozialhilfeträger kann Rückgriff nehmen
Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Sozialamt:
Schenkungen der letzten Jahre zurückfordern (sog. „Rückforderung wegen Verarmung“),
auf das Erbe zugreifen,
oder Angehörige im Rahmen der Unterhaltspflicht prüfen.
Hinweis: Dazu gibt es umfangreiche Informationen bei Verbraucherzentralen, Pflegeberatungsstellen der Kommunen und im SGB XII.
5. Handlungsoptionen für Familien – bevor der Ernstfall eintritt
Gerade für junge Familien mit Blick auf Generationenvorsorge und Vermögensschutz ist frühzeitige Planung enorm wichtig.
✔ 1. Klare familiäre Absprachen treffen
Wer soll was übernehmen, wenn Pflege nötig wird?Wie wichtig ist der Erhalt des Eigenheims innerhalb der Familie?
✔ 2. Rechtzeitig über eine Pflegezusatzversicherung nachdenken
Je früher abgeschlossen, desto günstiger und leistungsstärker.Dies kann später verhindern, dass Immobilien eingesetzt werden müssen.
✔ 3. Testament, Vollmachten & Wohnrechte klären
Regelungen wie:
Wohnrecht
Nießbrauch
Übertragung mit Absicherungkönnen im Pflegefall eine entscheidende Rolle spielen.
✔ 4. Immobilie wirtschaftlich bewerten
Manchmal ist eine frühzeitige Entscheidung sinnvoller, z. B.:
Verkauf zu Lebzeiten,
Vermietung,
Umbau in mehrere Wohneinheiten,
altersgerechter Umbau statt Heimunterbringung.
✔ 5. Neutrale Informationen nutzen
Zur Orientierung empfehlenswert:
Pflegeberatung der Kommunen/Pflegestützpunkte
Verbraucherzentrale
Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
Deutsche Rentenversicherung
Gesetzeslage, Ausblick – und warum jetzt Handlungsbedarf besteht
In Deutschland ist die soziale Pflegeversicherung im SGB XI geregelt. Sie arbeitet aber nur als Teilleistungsversicherung – die tatsächlichen Pflegekosten werden in vielen Fällen nicht vollständig gedeckt, es bleiben hohe Eigenanteile, die aus Einkommen und Vermögen bezahlt werden müssen. Durch den demografischen Wandel, steigende Löhne in der Pflege und höhere Heim- und Betreuungskosten weisen Bundesregierung und verschiedene Wirtschaftsexperten seit Jahren darauf hin, dass sich die Finanzierungssituation weiter anspannen wird und Eigenanteile voraussichtlich eher steigen als sinken.

Gerade deshalb ist es sinnvoll, frühzeitig über eine private Pflegezusatzversicherung nachzudenken. Sie kann helfen, die eigenen Eigenanteile deutlich zu reduzieren und damit zu verhindern, dass im Ernstfall das Eigenheim oder anderes Vermögen unter Druck gerät und „zur Kasse gebeten“ wird.
Wenn du wissen möchtest, wie Sie Ihre Familie und Ihre Immobilie im Pflegefall besser schützen können, sprechen Sie mich gerne persönlich an – wir prüfen gemeinsam, ob und welche Form der privaten Pflegeversicherung zu Ihrer Situation passt.
Fazit
Ein Eigenheim ist nicht automatisch vor einem Zugriff des Sozialamts geschützt – aber in vielen Fällen sehr wohl. Entscheidend ist, wie die Immobilie genutzt wird und welche familiäre Situation besteht.
Für Familien lohnt es sich, frühzeitig zu klären:
Wie wichtig ist der Erhalt des Hauses?
Welche Absicherungsstrategien gibt es?
Welche finanziellen und rechtlichen Möglichkeiten stehen zur Verfügung?
Wer rechtzeitig plant, schützt nicht nur das Eigenheim – sondern auch die finanzielle Stabilität der gesamten Familie.
Hinweis / Haftungsausschluss
Die bereitgestellten Informationen dienen ausschließlich der allgemeinen Orientierung und ersetzen keine rechtliche, steuerliche oder finanzielle Beratung.
Trotz sorgfältiger Erstellung wird keine Haftung für Aktualität, Vollständigkeit oder Richtigkeit übernommen.
Für verbindliche Auskünfte sollten Sie stets einen qualifizierten Fachberater konsultieren.